Kultur-Pur in Fort Collins
9 07 2011Fort Collins war einer der Orte, den wir uns für unsere musikalisch-kulturell-gesellschaftlichen „Recherchen“ ausgesucht hatten. Denn natürlich habe ich auch immer noch den Artikel im Blick, den ich für das Musikmagazin FOLKER über die Tour zu meinen musikalischen Wurzeln schreiben werde. Und die Vorauswahl war auch diesmal absolut gelungen: Durch zwei Shiregreen-Konzerte haben wir wieder eine Menge über die Möglichkeiten für Live-Auftritte gelernt, und am Fourth-of-July haben wir an verschiedenen Standorten gleich sechs ganz unterschiedliche Musikgruppen erleben dürfen. Und mehr oder weniger zufällig sind wir dann auch noch auf ein hoch engagiertes und berührendes Rock Musical gestoßen und konnten auch gleich noch die Macher persönlich kennen lernen …
Doch eins nach dem anderen. Wir haben insgesamt fünf Tage in Fort Collins verbracht, einer sehr warmherzigen und recht fortschrittlichen Kleinstadt 80 Kilometer nördlich von Denver, der man ihre 150.000 Einwohner überhaupt nicht anmerkt. Am Samstag stand ein Shiregreen-Konzert im Alley Cat Coffee House an, der Kontakt war über das Internet zustande gekommen. Brooke, die Macherin des Öko-Cafes, wollte unbedingt Shiregreen live in ihrem Laden haben. Das Cafe war wirklich klasse, selbst geriebener Ingwer-Tee, eine Öko-Einrichtung wie aus dem Malbuch. Nur leider bestand das Publikum zum größten Teil aus Internet-surfenden Studenten, die auch Live-Musik grundsätzlich nur als Untermalung zum Chatten betrachten. Irgendwann habe ich dann gesagt: „Hey, I’m a songwriter from Germany, you can check me out at the internet now”. Anonsten netter Abend, und auch einige schöne Kontakte, muss ich aber nicht zu oft haben ….
Am Sonntag hatten wir dann eigentlich einen „Ruhetag“ vorgesehen, aber beim Stadtbummel am Vortag war uns mehrfach das Plakat für das Rock Musical „The Hostage Song“ ins Auge gesprungen, das im alternativen und selbst verwalteten Theater „Bas Bleu“ auf dem Spielplan stand. Nach kurzer Internetrecherche haben wir beschlossen, uns die Sonntagsnachmittags-Vorstellung (vor allem für Senioren :-)) anzuschauen. Und es war einfach großartig: Es geht um zwei junge Amerikaner, die in einem fiktiven Staat des Nahen Osten in Geiselhaft geraten. Das Stück spielt in einer kleinen Zelle, in der die beiden eingesperrt sind.
In kleinen traumähnlichen Sequenzen zieht ihr bisheriges Leben an ihnen vorbei, und die beiden kommen sich allmählich näher. Insgesamt sehr harter Stoff, denn das Ganze geht überhaupt nicht gut aus. Aber die gute und erstaunlich lockere Musik im Stil der 70er macht es möglich, die bedrückende politische und menschliche Botschaft zu ertragen.
Danach hatten wir dann im Foyer das Glück, die Macher des Stücks und des Theaters insgesamt kennen zu lernen: den Regisseur Bob Braddy, den musikalischen Leiter Tom Campbell und die künstlerische Leiterin Wendy Ishii, die übrigens auch im Kultfilm „Alice’s Restaurant“ mitgespielt hat. War enorm spannend, und alle drei waren sehr erfreut, dass wir die Kunde über das beeindruckende Stück via Shiregreen-Blog und FOLKER nach Deutschland tragen werden. Wer mehr erfahren möchte, schaut einfach mal rein bei www.basbleu.org
Am Montag war dann Independence Day, über den Angelika ja in einem eigenen Blog berichtet hat. Von mir aus nur eine kurze Auflistung der musikalischen Highlights: Am historischen Avery House haben wir einen klassischen Country-Barden und ein A-Capella Quartett im Barber-Shop-Stil erlebt,
und in der Innenstadt standen eine klassische Blues- und eine Showband auf dem Programm. Beeindruckend war vor allem, das überall kräftig mitgesungen und auch mitgetanzt wurde. Alles um einige Grade lockerer als bei uns. Und auch die musikalische Generationenschwelle, die ja bei uns gemeinsames Feiern zwischen Alt und Jung oft sehr erschwert, war kaum spürbar.
Und abends im Schlosspark haben wir dann erstmals die Americana-Band „Fierce Bad Rabbit“ kennen gelernt, wirklich beeindruckend. Ich habe den Kopf der Band, Chris Anderson, im Anschluss an das Konzert nach Europa eingeladen, ihm aber auch nicht verschwiegen, dass er sich um die Reisekosten selber kümmern muss :-).
Und zu guter Letzt gab es dann noch das Fort-Collins-Symphony-Orchestra mit einem extrem lockeren Programm im Stil von „Night of the Proms“ (das wär was für Dich gewesen, lieber Martin). Das reichte von einem Country-Medley über Westside-Story bis zur unvermeidlichen Nationalhymne, gesungen vom Dirigenten selbst mit übergroßem Uncle-Sam-Hut auf dem Kopf. Für uns etwas befremdlich, fürs hiesige Publikum ein absolutes Muss.
Und am Dienstag durfte ich dann noch mal als Shiregreen ran, diesmal in einem richtig tollen Musikschuppen. Avogadro’s Number ist der Top-Laden der Stadt, in dem u .a. auch schon David Knopfler oder Steve Forbert aufgetreten sind. Ich hatte über das Internet persönlichen Kontakt zum Avogadro-Kopf Rob Osborne aufgenommen, der sich Shiregreen auf youtube angehört hatte und mich kurzfristig als „Featured Artist“ ins Programm genommen hat. Zum Hintergrund: Normalerweise braucht ein richtiges Konzert mit Promo, Pressearbeit etc. mindestens vier bis sechs Monate Vorlauf, und da wir unsere Reise nicht zu stark verplanen wollten, haben wir uns auf so etwas nur im Ausnahmefall eingelassen.
Der einstündige Auftritt war klasse, toller Sound, prima Resonanz. Angelika hat drei schöne Videos gefilmt, darunter auch zwei der neuen Songs. „Some rain in Santa Rosa“ steht schon online ( http://www.youtube.com/Shiregreensongs ), „Colorado“ folgt bei nächster Gelegenheit. Und beim anschließenden Open-Mic haben wir dann auch wieder spannende Musiker kennenlernen dürfen, es ist einfach unglaublich, was für tolle Musiker sich hier auf Open-Mic-Ebene durchmusizieren.
Jetzt sitzen wir nach vier Tagen städtischem Trubel und spannenden musikalischen Erlebnissen in unserem Yogi an einem stillen See im Süden von Wyoming und lassen das alles erstmal wieder sacken. Doch morgen satteln wir dann die Pferde und reiten nach Laramie, direkt „Am Fuß der Blauen Berge“ ….
Summary for our American friends:
Fort Collins is one of the places that we have chosen for our “musical-cultural-social studies”. When we’re back in Germany I’m going to write an article for the well-known German music-magazine FOLKER about the tour to my musical roots. And the selection once again was very fine: We had two Shiregreen-concerts at very different locations. And on the 4th of July we had the chance to listen to six very different music groups, bands and orchestras. And we had two nice Shiregreen-Concerts – at the Alley Cat Coffee House and at Avogadro’s Number. A recording from the last you can see at http://www.youtube.com/Shiregreensongs.
And by fortune we were visting the exciting Rock Musical „The Hostage Song“in Bas Bleu Theatre. It’s a story of two young Americans taken as hostages in a fictional country of the Middle East. Arrested in a very small cell you see their life passing by … very hard stuff, no happy end. The performance of the actors and actresses hit us deep in the heart, and the exciting musical interludes gave us the chance to stand the very intensive atmosphere. After the show we met Bob Braddy, who directed the musical, and Wendy Ishii the Artistic Director of the theatre. It’s a fantastic project … political involved, independent and courageous. For more information take a look at www.basbleu.org
Hmm, eigentlich war mir kein Kommentar eingefallen, aber wenn ihr so gerne welche haben wollt… muss ich mir wohl was überlegen 😉
Nein, lieber doch nicht.
Oder doch?
Hmm.
Also wenn die Herrschaften dort zum Surfen sind und nicht weglaufen, weil du Musik machst, ist das doch schonmal ein guter Ansatz? 😉 Und vielleicht bleibt es ja hängen und dann irgendwann „hey, ja, hab ich schonmal gehört!“… Naja, oder so ähnlich.
Das Musical klingt interessant, auch wenn ich den Zusammenhang nicht so ganz verstanden habe. Muss man wohl angucken um es zu verstehen.
Viel Spaß jedenfalls bei eurer Stadt-frei-Zeit 🙂
So viel Musik lieber Klaus, ein wahres Fest für dich oder? Das liest sich alles ganz klasse….. die Geschichte mit den surfenden Studenten war natürlich nicht so nett, ich hoffe, du hast sie mit deiner Ansage ein bisschen aufrütteln können, nur so als Hintergrundmusik ist ja auch irgendwie blöd….. Eur Schilderungen vom 4. Juli gefallen mir insgesamt sehr gut…..muss man wohl erlebt haben…..Mit dem Musical, das klingt interessant, sehr schwierig wohl, aber wenn die Musik das Ganze etwas ausgeglichen hat, ist das ja in Ordnung.
Liebe Grüße
Tina
PS Viel Spaß in Laramie und nehmt die Hühner nicht zu doll ran, vielleicht seid ihr mit Sattel ja doch zu schwer für sie!